Physikalische Grundlagen des Segels
Wahrer- und resultierender Wind Yachten bewegen sich an der Grenze zweier Medien, Luft und Wasser. Das Wasser leistet Auftriebskraft, aber auch Widerstandskräfte gegen den Vortrieb eines Rumpfes. Die Antriebskraft zur Überwindung der Widerstände sind die vom Wind erzeugten aerodynamischen Kräfte am Segel. Für das Zustandekommen dieser Kräfte ist ausschließlich der ‘resultierende Wind’ verantwortlich.
Der Wind übt auf ein Segel Druckkräfte aus, die sich mit dem Quadrat der scheinbaren Windgeschwindigkeit ändern. Der scheinbare Wind ergibt sich aus der vektoriellen Addition der Komponente des wahren Windes ϑw mit der Komponente des Fahrtwindes ϑs. Verdreifacht sich beispielsweise die Geschwindigkeit des scheinbaren Windes, so wirken bereits neunfache Kräfte in einem Segel. In der Tabelle sind im Experiment
gewonnene Werte von Kräften dargestellt, die auf eine senkrecht von Luft angeströmte Platte von A = 1 m² wirken. Weiter ist ersichtlich, bei welchen Windstärken sich unter den gegebenen Voraussetzungen, die in der Tabelle angeführten Kräfte entwickeln.
Da die Luftteilchen nicht, wie man meinen möchte, geradlinig und senkrecht auf die Platte zuströmen und aufprallen, ist eine
Berechnung nicht möglich. Durch Sichtbarmachung der Umströmung von Segeln, Profilen, einschließlich einer ebenen Platte, weiß man heute, dass die Luft (oder Wasserteilchen) gekrümmten Linien – den Stromlinien folgen. Daher ist ihre Geschwindigkeit nicht konstant, sondern ortsabhängig, in manchen Bereichen sogar völlig ungeordnet.
Ein Tragflügelprofil wird angeströmt, Rauchstrahlen mit gleichem Abstand machen die Strömungslinien sichtbar. Die Zunahme der Stromliniendichte an der Profil-vorderkante zeigt eine größere örtliche Strömungsgeschwindigkeit bei einem längerern Weg an. Die Aufweitung der Strömungslinien an der Profilunterseite wird dagegen von einer Abnahme der örtlichen Geschwindigkeit der Teilchen begleitet. Die Strömungsteilchen berühren das nahende
Hindernis nicht, sondern folgen seiner Kontur in einiger Entfernung.
Wahrer Wind ϑw
Liegt eine Segelyacht fest vor Anker, so zeigt die Windfahne der Yacht die Richtung des wahren Windes an. Die Geschwindigkeit ϑw des wahren Windes kann als Vektor in ein
Geschwindigkeitsdreieck eingezeichnet werden. Die beiden anderen Seiten dieses Dreieckes bilden die Vektoren des Fahrtwindes ϑs und des resultierenden Windes ϑR.
Bewegt sich eine Yacht bei Windstille in Fahrtrichtung, so gibt dessen Windfahne die Richtung des Fahrtwindes ϑs an.
Der Vektor des Fahrtwindes und der Vektor der Yachtgeschwindigkeit sind von der Größe her gleich, von der Richtung her entgegengesetzt. Befindet sich die Yacht bei einem vorherrschendem wahren Wind in Fahrt, so weist die Windfahne in die Richtung des resultierenden Windes ϑR. Dieser resultiert aus der vektoriellen Addition von Fahrtwind und wahrem Wind. Die Yacht segelt schräg gegen den Wind. Bei diesem Kurs und dieser Segeleinstellung ist der resultierende Wind am stärksten. Man kann es als das ‘Phänomen des Segelns’ bezeichnen, dass mit modernen Segelschnitten dem resultierenden Wind eine
Vortriebskraft entlockt werden kann. Diese ermöglicht es, dass bereits mit Winkeln unter 45° gegen den wahren Wind angesegelt werden kann. Moderne Kiel, Schwert- und Unterwasserkonstruktionen der Yachten verhindern ein Querabtreiben und zwingen die
Yacht in eine Richtung schräg gegen den Wind.
Der resultierende Wind verändert sich in Wirklichkeit ständig bezüglich seiner Richtung und Stärke, er ist abhängig vom Winkel zwischen dem Kurs der Yacht und dem Einfall des wahren Windes. Wie aus der nächsten Abbildung zu ersehen ist, segelt der Katamaran (b) auf gleichem Kurs eine höhere Geschwindigkeit als die Gleitjolle (a). Das Kräfteparallelogramm zeigt, dass der vergrößerte scheinbare Wind nun auch vorlicher einfällt. Daraus folgt, dass bei gleichem Kurs der Katamaran eine ‘dichtere’ Segelstellung
benötigt. Eine schnell segelnde Eisyacht (ungefähr 80 km/h) oder ein Katamaran können daher nicht so hoch am wahren Wind segeln, wie sonstige Segelboote (etwa 40°).
Änderung des wahren Windes durch den Windgradienten
Unter ‘Windgradient’ versteht man die Zunahme der Windgeschwindigkeit mit der Höhe über dem Wasser. Bereits in 5m Höhe kann bei einem mittlerem Wind die Windgeschwindigkeit unter entsprechenden Bedingungen den doppelten Wert erreichen, als etwa 1 m über dem Wasser. Verdoppelt sich der wahre Wind, so ändert sich der scheinbare Wind ebenfalls nach Richtung und Stärke. In diesem Fall fällt der scheinbare Wind im oberen Segelbereich (5 m) unter dem größeren Winkel ein. In der Segelfachsprache sagt man, der Wind fällt ‘achterlicher’ ein. Will man ein Segel effektiver nutzen, so muss es dieser Tatsache entsprechend, von unten nach oben offener gefahren werden, also eine Verwindung eingestellt werden.
Durch den Einfall einer Windböe in ein Segel kann sich ebenfalls kurzzeitig die Komponente des wahren Windes und mit ihm
die Resultierende des scheinbaren Windes erheblich vergrößern.
Das Segelboot ändert wegen der Trägheit seiner Masse die
Geschwindigkeit nicht sofort. Da der scheinbare Wind plötzlich zudem achterlicher einfällt, stimmt die Segeleinstellung für diesen
Moment nicht mehr. Es entsteht vermehrter Druck im Segel, die Yacht erhält Schräglage. Um diesem unerwünschten Effekt entgegenzuwirken, gibt es mehrere Möglichkeiten zur Korrektur:
a) Der Steuermann ändert den Kurs höher an den Wind.
b) Die Segelstellung wird neu angepasst.
c) In beiden Fällen wird man versuchen die Schräglage durch Ballast und/oder Körpergewicht auszugleichen.
Das Rollen und Stampfen einer Yacht kann die Richtung und Stärke des scheinbaren Windes ebenfalls beeinflussen. Naturgemäß werden diese Bewegungen im Masttop am größten sein. Dadurch verändert sich der Anstellwinkel besonders in den oberen Teilen
des Segels. Periodische Roll- bzw. Stampfbewegungen werden von Jollenseglern oft durch Körpereinsatz (‘Pumpen’) bewusst hervorgerufen, um durch die damit verbundenen Änderungen des scheinbaren Windes das Boot zu beschleunigen.
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