Barbara

Das Rotorschiff ‘RMS Barbara’

Das Rotorschiff ‘Barbara’ wurde 1926 im Auftrag der Deutschen Reichsmarine bei der AG-Weser in Bremen gebaut. Flettner lieferte die Pläne und Berechnungen für die Rotoranlage der ‘Barbara’, die AG-Weser war für den Schiffsentwurf und die Fertigung zuständig, die Reederei Rob. M. Sloman sollte den Neubau bereedern und die Deutsche Reichsmarine zahlte die Rechnungen.

Während bei der AG-Weser in Bremen die Konstruktionspläne für das neue Rotorschiff entstanden, begann Flettner mit den Entwürfen für den Rotorantrieb. Da die Grundlagen aus den Versuchen der AVA-Göttingen zur Verfügung standen, musste Flettner sich in
erster Linie um die Festlegung der Abmessungen und um die technischen Ausführungsdetails kümmern. Bei dem ersten Entwurf ging Flettner von einem einzelnen Rotor von 28 Meter Höhe und 7 Meter Durchmesser aus. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass diese gewaltigen Abmessungen unlösbare technische Schwierigkeiten bereiten würde. So war es z.B. nicht möglich die Lagerungsprobleme dieses Ungetüms zu lösen. Zur Reduzierung von Reibungsverlusten an der Rotorlagerung sollten bei diesem Neubau Kugel- bzw. Rollenlager statt Gleitlager verwendet werden. 1926 standen jedoch noch keine Lager mit den erforderlichen Abmessungen zur Verfügung. Aus diesem Grund entschied man sich für eine Rotorenanlage, bestehend aus drei Rotoren von je 4 m Durchmesser und 17 m Höhe. Der Antrieb der Rotoren durch jeweils einen 41 PS starken Gleichstrommotor mit nachgeschaltetem Untersetzungsgetriebe und einer im Pivot gelagerten Antriebswelle.

Die maximale Rotordrehzahl lag bei 160 Umdrehungen pro Minute, so dass eine maximale Umfangsgeschwindigkeit von 33,5 m/s erreicht werden konnte. Somit konnten bei einem  U /ϑ = 4 immerhin noch Windgeschwindigkeiten von bis zu 8,4 m/s optimal ausgenutzt werden. Jeder Rotor sollte einen Schub von maximal 4 t entwickeln. Wie bereits bei der ‘Buckau’ wurde jeder Rotor mit einem oberen Lager zur Einleitung der Kräfte und einem Führungslager auf ca. 2/3 der Pivothöhe ausgerüstet. Da sowohl die obere als auch die untere Lagerung fettgeschmiert waren, entfielder aufwendige Schmierölkreislauf.

Die Rotoren selbst wurden aus Gewichtsgründen aus einer Aluminiumlegierung, LAUTAL, gefertigt. Hierbei griff man auf die Prinzipien und Erfahrungen aus dem Luftschiff- und Flugzeugbau zurück. Auf die selbsttragende Gitterkonstruktion der Rotoren wurde die nur 0,8 mm starke Außenhaut genietet. Die Endscheiben der Rotoren hatten einen Durchmesser von stattlichen 5,55 m. Bereits am 28. April 1926 lief das auf den Namen ‘Barbara’ getaufe Schiff bei der AG-Weser in Bremen vom Stapel. Die Endausrüstung der ‘Barbara’ und die Montage der Rotorenanlage konnte termingerecht bis Mitte Juli 1926 abgeschlossen werden.

Für den Hauptantrieb wurden 2 Stück Viertakt-Dieselmotoren Bauart AG-Weser / MAN mit jeweils 530 PS installiert. Die Motoren wirkten über ein Vulkangetriebe auf die mit maximal 80 Umdrehungen je Minute laufende Schraubenwelle. Die Motorenanlage ermöglichte die vertraglich zugesicherte Dienstgeschwindigkeit von 10 Knoten ohne Rotorenunterstützung.

Stapellauf der ‘RMS Barbara’ am 28. April 1926

 

 

 

 

 

 

 

Die ‘Barbara’ entsprach genau Flettners Vorstellungen. Bei günstigen Windbedingungen konnte durch Zuschalten der Rotoren wahlweise eine höhere Geschwindigkeit erreicht werden oder bei gleicher Geschwindigkeit die Leistung der Dieselmotoren reduziert bzw. abgeschaltet werden. Die Steuerung für die Rotorenanlage befand sich direkt neben dem Maschinentelegraphen auf der Brücke.

Erwähnenswert ist auch, dass die ‘Barbara’ eine Flettner Ruderanlage erhielt. Auch die Belange der Deutschen Reichsmarine mussten berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die spätere Verwendung als Transportschiff wurden entsprechende Geschützunterbauten
und Verstärkungen eingebaut. Ab dem 16. Juli 1926 begannen die Probefahrten der ‘Barbara’, an denen nicht nur Werftpersonal, sondern auch eine ganze Anzahl von Beamten der Reichsmarine teilnahmen. Vom 16. bis zum 29. Juli wurden täglich Probefahrten auf der Nordsee ausgehend von Bremerhaven durchgeführt. Dabei zeigte
sich, das die vorausberechneten Schubwerte der Rotoren voll erreicht wurden. Die dabei erzielten Geschwindigkeiten bezogen sich jedoch nur auf Ballasttiefgang, echte Werte mit voller Tonnage waren späteren aktiven Fahrten vorbehalten.

Die ‘RMS Barbara’ im Dock der AG Weser Bremen

 

 

 

 

 

 

 

 

Daten der ‘RMS Barbara’

Länge Wasserlinie: 85,0 m
Länge über alles: 89,5 m
Breite auf Spanten: 13,2 m
Höhe bis Hauptdeck: 5,8 m
Tiefgang: 5,4 m
Gewicht der Rotorenanlage: 40 t
Verdrängung: 2830 t
Hauptdieselantrieb: 2 x 530 PS
Technische Daten der Rotorenanlage
– 3 Rotoren, je 17,0 m lang, 4,0 m Durchmesser
– Aluminiumkonstruktion LAUTAL
– Rotorantrieb durch jeweils 1 Elektromotor 41 PS
– Maximale Rotordrehzahl 160 U/min

Der Bau und auch die Indienststellung der ‘Barbara’ geschahen, im Gegensatz zur ‘Buckau’, unter nur mäßiger Anteilnahme der Öffentlichkeit. Das Sensationelle war bei diesem zweiten Rotorschiff nicht mehr vorhanden, die Pionierarbeit und der Nachweis,
dass man mit einem rotierenden Zylinder ein Schiff durch Windkraft antreiben konnte waren bereits erbracht. So wurde die Indienststellung durch die Deutsche Reichsmariene auch nur mit einer knappen amtlichen Verlautbarung bekanntgegeben. ‘Das neue
Rotor-Motorschiff Barbara ist am 30. Juli vom Chef der Marineleitung während der Überführung von Bremen nach Hamburg übernommen und der Reederei Rob. M. Sloman zur Einreihung in ihren Mittelmeerdienst übergeben worden.’
Zur Einweisung der Besatzung unternahm die ‘Barbara’ am 3. August noch eine weitere Probefahrt von Hamburg aus, bevor sie unter dem Komando von Kapitän Schümann in den Mittelmeerdienst der Reederei eingegliedert wurde.

Die ‘Barbara’ sorgte in jedem Mittelmeerhafen für beträchtliches Aufsehen und zog die Aufmerksamkeit von Fachleuten und vielen Schaulustigen auf sich.

Das Rotorschiff ‘Barbara’ auf See

 

 

 

 

 

 

 

So kam unter anderem auch der spanische König Alfons mit Gefolge an Bord der ‘Barbara’, um sich die neue Erfindung erklären zu lassen. Es wurden jedoch keine Versuchs- oder Demonstrationsfahrten durchgeführt, da das Schiff seinen Fahrplan einhalten musste. Die ‘Barbara’ wurde von der Reederei als ein ganz normales Frachtschiff betrachtet, dessen Hauptaufgabe darin bestand, seine Fracht möglichst pünktlich zum Bestimmungshafen zu befördern. Dieser Umstand erklärt auch warum in den Archiven der Reederei keinerlei Unterlagen bezüglich des Rotorantriebes aufbewahrt
wurden. Die Registrierung und Auswertung dieser Daten oblag der Seetransportabteilung der Deutschen Reichsmarine. In den folgenden Jahren litt die gesamte Schiffahrt unter dem Rückgang des Handels. Die Frachtmengen waren rückläufig und die Frachtraten verfielen immer mehr. Am 28. Mai 1931 gab die Reederei Sloman die ‘Barbara’ an die Reichsmarine zurück. Da auch die Seetransportabteilung der Reichsmarine mit Frachtraum gut versorgt war, wurde das Schiff aufgelegt. Der Haushaltsausschuss
des Reichstages sah keine Möglichkeit, dass Rotorschiff zukünftig kostendeckend in Charter zu geben und schrieb die ‘Barbara’ zum Verkauf aus.

Nun stellt sich natürlich die Frage, warum sich Flettners Idee, die kostenlos verfügbare Windenergie für den Schiffsantrieb nutzbar zu machen nicht durchsetzte. Neben den besonderen Umständen der Weltwirtschaftskrise dieser Tage und der damit verbundenen Gegebenheit, dass einfach zu wenig Fracht für die vorhandene Welttonnage zur Verfügung stand, gab es noch einen weiteren wichtigen Grund. Erdöl und die daraus gewonnenen Brennstoffe standen in reichlichen Mengen zu absoluten Tiefstpreisen zur Verfügung. Mit der Montage einer Rotoranlage hätte jeder Reeder natürlich Kosten einsparen können, aber der Anreiz dafür war äußerst gering. Infolge der niedrigen Brennstoffkosten wäre der eingesparte Betrag so gering ausgefallen, dass sich die Amortisierung der zusätzlichen Kosten für den Einbau einer Rotoranlage über einen unzumutbar langen Zeitraum hingezogen hätte. Da sich gerade Reedereien ständig
im weltweiten Wettbewerb befinden, ist eine vernünftige Amortisierungszeit die Voraussetzung für jede Investition.

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